Landkreis Garmisch-Partenkirchen: Gemeinsam zur strategischen Bildungsplanung
Bildungsbüro organisiert SWOT-Analyse für eine strategische Bildungsplanung unter Einbeziehung aller relevanten Akteure
Der Landkreis Garmisch-Partenkirchen ist zertifizierte Bildungsregion. Seit Sommer 2018 hat das Landratsamt ein datenbasiertes kommunales Bildungsmanagement aufgebaut mit dem Ziel, die Bildungschancen für alle Bürgerinnen und Bürger weiter zu verbessern und die Zusammenarbeit der Bildungsakteure zu optimieren. Organisiert und gefördert wird die Zusammenarbeit der Bildungsakteure durch die Koordinierungsstelle im Landratsamt, die mit Annett-Maria Jonietz (Koordinatorin Bildungsregion) und Laura Erben (Bildungskoordinatorin für Neuzugewanderte) besetzt ist.
Nachdem zunächst an "brennenden" Themen gearbeitet wurde, wie etwa an Medienkonzepten im Zuge der Digitalisierungsoffensive an Schulen, sollten nun bildungspolitische strategische Ziele erarbeitet werden. Dazu wollten die Verantwortlichen sich zunächst die aktuelle Bildungslandschaft genau anschauen: Was haben wir? Was brauchen wir im Landkreis? Identifiziert werden sollten dazu Handlungsfelder, für die es im Besonderen Maßnahmen braucht. Die Beteiligten waren sich einig, dass bei diesem Prozess auch Daten, Expertenmeinungen sowie die vorhandenen Ergebnisse der Dialogprozesse zur Zertifizierung der Bildungsregion berücksichtigt werden sollten. Eine letztendliche Gewichtung der dringlichsten Handlungsfelder wollten dann die Mitglieder des Steuerungsgremiums vornehmen. Als Methode für die strategische Planung erschien allen Beteiligten eine SWOT-Analyse als besonders geeignet – denn diese erlaubt es, sich einen Überblick über Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken zu verschaffen (SWOT= Strengths (Stärken), Weaknesses (Schwächen), Opportunities (Chancen) und Threats (Risiken)).
Gemeinsame SWOT-Analyse ermöglicht Überblick über Status Quo im Landkreis
Das Steuerungsgremium führte die SWOT-Analyse im Rahmen einer Sitzung im Dezember 2018 durch. Dadurch war eine breite Beteiligung der relevanten Bildungsakteure möglich. Die elf Teilnehmenden verteilten sich auf drei Thementische und analysierten jeweils Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken. Die Themen waren: das Steuerungsgremium selbst, die Schule im Zusammenspiel mit anderen Akteuren und Bildung als Standortfaktor für den gesamten Landkreis. Im Anschluss fügte das Bildungsbüro die drei Analysen zu einem Gesamtbild zusammen und glich sie mit den Ergebnissen aus dem Bildungsregionsprozess sowie mit bereits vorliegenden Experteninterviews ab. Auch flossen Erkenntnisse aus der Sozialraumanalyse von 2014, der Jugendhilfeplanung und der lokalen Entwicklungsstrategie des Landkreises bzw. der "Zugspitzregion" von 2017 mit ein. Der erkannte Handlungsbedarf im Bereich der Berufsausbildung und des Bürgerschaftlichen Engagements unter der Rubrik Bildung und Kultur deckte sich großteils mit den Ergebnissen der SWOT-Analyse des Bildungsbereichs.
Bildungsbüro fasst Ergebnisse und Daten zusammen und schlägt Maßnahmen vor
Im zweiten Schritt fassten die Mitarbeiterinnen des Bildungsbüros das nun vorliegende Gesamtbild auf wesentliche Punkte zusammen. Am Ende ergaben sich 14 Themenblöcke, aus denen das Steuerungsgremium bei einem weiteren Treffen drei Handlungsfelder identifizierte: Berufsausbildung im Landkreis, Gesellschaftliche Veränderungen sowie das Thema Integration. Für alle drei Handlungsfelder wurden gemeinschaftlich Ziele und Maßnahmen formuliert:
- Beim Thema Berufsausbildung liegt der Fokus auf der dualen Berufsausbildung und wie man diese stärken bzw. wie man Abbrüche verhindern kann. Vor diesem Hintergrund organisierte die Bildungsregion gemeinsam mit der Zugspitzregion und der Wirtschaftsförderung ein Berufsforum im November 2019 für ausbildende Betriebe der Region sowie Netzwerkpartnerinnen und -partner. Nach einem kleinen Empfang mit Marktständen zu Unterstützungsmöglichkeiten und einem anschließenden Fachvortrag, gab es Gelegenheit zur Diskussion. Die dort entstandenen Fragen und Probleme dienen als Grundlage für eine Folgeveranstaltung für Azubis sowie Ausbilderinnen und Ausbilder. Beide Gruppen sollen in einer offenen und kreativen Werkstattatmosphäre durch verschiedene Methoden miteinander ins Gespräch kommen und herausfinden, wer welchen Beitrag leisten kann, um die Ausbildungszeit noch zu verbessern. Ziel dabei ist es, die Qualität der Ausbildung zu erhöhen und Abbrüche zu verringern. Die Ergebnisse des zweiten Berufsforums wird das Bildungsbüro gemeinsam mit den jungen Menschen auswerten und an das Steuerungsgremium weitergeben. Je nachdem, welche Ergebnisse dann vorliegen, werden weitere Maßnahmen beschlossen. Es werden außerdem auch Maßnahmen geprüft, um den Zugang zur Ausbildung als Erzieherin oder Erzieher vor Ort zu erleichtern.
- Unter dem Handlungsfeld Gesellschaftliche Veränderungen verstehen die beteiligten Akteure der Bildungsregion Garmisch-Partenkirchen die gewandelten Anforderungen an demokratische bzw. politische Bildung sowie bürgerschaftliches Engagement. So wird einmal im Jahr ein Vortrag für Lehrkräfte und Pädagoginnen und Pädagogen angeboten, zuletzt zum Thema "Politische Bildung und die Forderung nach Neutralität" von Prof. Dr. Rico Behrens, Inhaber der Professur für Politische Bildung an der Katholischen Universität Eichstätt. Ziel war es, das Kontroversitätsgebot zu erläutern, das gerade nicht Neutralität bedeutet, sondern den Einsatz für das Grundgesetz und Menschenrechte beinhaltet. Gleichzeitig bieten diese Vorträge die Möglichkeit, dass sich die Lehrerschaft untereinander vernetzen kann. Die Bildungsregion setzte sich auch dafür ein, dass im Landkreis zum zweiten Mal Anfang Oktober 2020 die "Lange Nacht der Demokratie" mit vielen Akteuren stattfinden kann. Darüber hinaus hat sie sich einstimmig für eine Bewerbung zur Lokalen Partnerschaft für Demokratie im Rahmen des bundesweiten Strukturprogramms "Demokratie leben" ausgesprochen*. Bei einem positiven Bescheid würden dem Landkreis eine weitere Halbtagspersonalstelle bei einem freien Träger unter Federführung der Bildungsregion sowie finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, um vor Ort Aktionen und Maßnahmen zur politischen Bildung initiieren und unterstützen zu können – insbesondere im Hinblick auf eine Extremismusprävention.
- Im Handlungsfeld Integration stellt sich immer mehr heraus, dass längst nicht mehr nur die Deutschkurse im Fokus liegen, sondern dass es vielmehr strukturelle Konzepte braucht, um den Landkreis weiterzuentwickeln. Die Kommunale Koordinatorin der Bildungsangebote für Neuzugewanderte des Landkreises hat eine Unterarbeitsgruppe der Jugendhilfeplanung gegründet, um an strukturellen Fragestellungen zu arbeiten. In einer Befragung unter Expertinnen und Experten im Integrationsbereich wurde der Ausbau der Kinderbetreuung als ein sehr wichtiger Punkt genannt. Dazu zählt sowohl der zahlenmäßige Ausbau als auch die erleichterte Zugänglichkeit und eine Abdeckung der Rand- und Ferienzeiten. Diese sind besonders für Beschäftigte im Hotellerie- und Gastronomiebereich sowie in der Pflege relevant. Derzeit gibt es Überlegungen, wie der Landkreis diesen Ausbau vorantreiben könnte. Hierzu ist die Kommunale Koordinatorin im Gespräch mit wichtigen Akteuren aus Wirtschaft und Politik.
Schnittstelle Bildungsbüro koordiniert und hält relevante Akteure auf dem Laufenden
Wie der Prozess der SWOT-Analyse zeigt, ist das Bildungsbüro in Garmisch-Partenkirchen eine wichtige Schnittstelle, an der Informationen zusammenkommen, bearbeitet und an relevante Akteure weitergegeben werden. Es bereitet Maßnahmen oder Konzepte vor, die dem Steuerungsgremium vorgelegt werden, das dann über etwaige Anpassungen diskutiert und Entscheidungen trifft. Durch die Vorarbeit des Bildungsbüros wird der Arbeitsaufwand für die Mitglieder des Steuerungsgremiums möglichst geringgehalten. Ihre zeitlichen Ressourcen sind für die Beratung und an Schnitt- und Entscheidungsstellen vonnöten. Umgekehrt sind sie stets gut über die im Landkreis laufenden Themen informiert und können auch für ihre eigene Organisation kurze Wege und Kontakte über das Bildungsbüro nutzen.
Wenn es um die Organisation von spezifischen Maßnahmen geht, steht das Bildungsbüro auch in regelmäßigem Kontakt mit einzelnen Bildungsakteuren. So bereitete das Bildungsbüro beispielsweise das Forum Berufsausbildung in enger Zusammenarbeit mit der IHK, der Wirtschaftsförderung, der Arbeitsagentur und der Berufsschule vor.
* Das Programm "Demokratie leben" wird gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Ein Bescheid zur Bewerbung lag dem Landkreis bis Redaktionsschluss dieses Beitrags nicht vor.
Weitere Informationen:
Fotos: Landkreis Garmisch-Partenkirchen
Stephan Märte, Sachgebietsleitung Amt für Kinder, Jugend und Familie:
"Das Verfahren mit der SWOT-Analyse für unsere strategische Bildungsplanung war äußerst gewinnbringend. Es war zwar sehr aufwendig und diskussionsreich, aber im Ergebnis wurde ein breiter Konsens erzielt."
Anett-Maria Jonietz, Koordinatorin Bildungsregion:
"Die Gesamtschau der Thementische habe ich wie eine Sternstunde empfunden. Als die Akteure anhand der Stichpunkte auf den Flipcharts die Ergebnisse vor sich gesehen haben, kam ein sehr verbindendes Gefühl auf: Aha, das sind wir – da stehen wir und das sind die Probleme. Das war meiner Meinung nach ein wichtiger Moment für den ganzen Prozess."